Erfolgreicher Insekten-Highway
Wandert man offenen Auges durch unseren Ort so entdeckt man schon seit dem zeitigen Frühjahr auf vielen Grünflächen im Siedlungsgebiet - im Begrischpark, an Straßen- und Bahnböschungen - im Abstand weniger Tage immer neue bunte Blumen. Auch wenn die Gräser auf Grund des vermehrten Regens heuer schon höher stehen, sind dazwischen viele Blüten zu sehen, an denen eine Vielzahl von summenden Hummeln, glänzenden Käfern, zarten Schmetterlingen und Schwebfliegen ihre Nahrung sucht. Auch viele Insekten, die zwar Wiesenbewohner sind, aber keine Blüten zum Leben brauchen wie Heuschrecken, Schmetterlings-Raupen, Zikaden und Wanzen tummeln sich zahlreich. Ein gutes und wichtiges Zeichen angesichts der europaweit stark zurückgehenden biologischen Vielfalt mit der auch das gravierende Insektensterben einhergeht!
Naturschutzfachlich begleitetes Vorbildprojekt
2020 hat sich die Gemeinde Perchtoldsdorf entschieden, unter dem Titel "Perchtoldsdorf blüht auf" und "Insektenhighway" der biologischen Vielfalt wieder mehr Platz im Ortsgebiet zu geben. Zu unser aller Wohl, denn auch wir Menschen sind von den Leistungen der Natur abhängig, z.B. von der Bestäubung unserer Nahrungsmittel - egal ob am Acker oder im Gemüsebeet zu Hause.
In Kooperation von Wirtschaftshof und den Biolog*innen des Heidevereins wurde ein Konzept für mehr Blühflächen im Ortsgebiet erarbeitet und dieses wird nun bereits das dritte Jahr gemeinsam umgesetzt. Alle Flächen von "Perchtoldsdorf blüht auf" sind auf google-Maps zu finden. (orange Flächen)
Viele seltene Arten
Der Erfolg lässt sich sehen. Etwa im Begrischpark, der als ehemalige Trockenrasen-Weidefläche zahlreiche seltene Pflanzenarten beherbergt. Nach der Umstellung auf eine einmal jährliche Mahd blühen nun im Jahresverlauf botanische Besonderheiten wie Kuhschelle, Karthäuser-Nelke, Gelb-Lauch, Esparsetten-Tragant, Christusaugen-Alant, Felsennelke, Grau-Sonnenröschen, Königskerzen und viele mehr, die zwar noch vor Ort waren, durch die häufige Mahd aber nie zur Blüte kamen. Die Blütenvielfalt zieht nun auch wieder viele eifrige Bestäuber an. Von den Insekten leben wiederum viele Vogelarten, Igel und Fledermäuse.
Pflegeumstellung bestehender Grünflächen mit hohem Naturwert
Perchtoldsdorf ist in der glücklichen Lage, dass es noch viele Flächen mit hohem Naturpotential und zahlreichen Pflanzenarten aus der Region hat. So genügt eine ökologisch begleitete Umstellung der Flächenpflege für die wertvolle heimische Blütenvielfalt, wo in anderen Gemeinden eine aufwändige Neu-Ansaat notwendig ist. Die Entwicklung neu angesäter Wiesenflächen ist nämlich gerade mit der zunehmenden Wintertrockenheit durch den Klimawandel keineswegs einfach und erfordert gerade in den ersten Jahren sehr viel Erfahrung und sehr umfangreichen gezielten Pflegeaufwand.
Auch bei der Umstellung der Flächenpflege muss allerdings je nach Wetter und Fläche auf die jährlichen Gegebenheiten reagiert werden. In wüchsigen Bereichen wächst heuer auf Grund des vielen Regens das Gras sehr üppig und hält die Blütenvielfalt zurück. Dort wird aus diesem Grund heuer zweimal gemäht – 1x im Juni und 1x im Herbst, um möglichst viele Nährstoffe zu entziehen und die Gräser zurück zu drängen. Wichtig zu wissen: Trotzdem gehören in einem bestimmten Ausmaß auch Gräser zu einer Wiese! Die Raupen des Schachbrettfalters - einer typischen Schmetterlings-Art wertvoller Magerwiesen - fressen z.B. nur Gräser. Gleichzeitig dürfen die Flächen – auch wenn viele Blumen schon verblüht sind – nicht zu früh gemäht werden. Denn die Samen müssen erst reifen und ausfallen können. Nur so kann die Blütenvielfalt weiter zunehmen.
Hotspots der biologischen Vielfalt in Österreich
Mit der Heide und dem Hochberg beherbergt Perchtoldsdorf herausragende, bunt blühende Naturgebiete mit tausenden Pflanzen- und Tierarten. Sie sind Schutzgebiete von internationaler Bedeutung. So wurden auf der Heide in den letzten Jahren unglaubliche 1.186 Schmetterlings- und 174 Wildbienenarten und am Hochberg 356 Schmetterlings- und 101 Wildbienenarten nachgewiesen, viele hochspezialisiert auf bestimmte Blütenpflanzen. Und auch am Goldbiegel gibt es noch wertvolle bunte Trockenrasen. Für die Erhaltung und Pflege dieser Flächen setzen sich Heideverein, Gemeinde, Schulen und viele Freiwillige erfolgreich seit vielen Jahren ein.
Doch warum sind dann überhaupt noch zusätzliche Blühflächen notwendig?
Um die biologische Vielfalt tatsächlich langfristig zu erhalten, braucht es einen richtigen Insektenhighway – also die Vernetzung von Heide, Hochberg, Goldbiegel und möglichst vieler weiterer Flächen, auch im Siedlungsgebiet. Wichtige Trittsteine hierfür sind etwa der Begrischpark und die Böschungen der Kaltenleutgebner Bahn. Aber auch kleine Flächen wie die bunte Böschung am Parkplatz Rudolfgasse der Heurigen Kas-Nigl, Breitenecker, Prüfert-Barbach sowie Willi & Isa Nigl leisten einen wichtigen Beitrag. Je mehr Menschen auch in ihrem Garten Blühflächen anstelle eines "ordentlich" gemähten Rasens wachsen lassen, desto besser funktioniert der Insektenhighway und z.B. auch kleine Wildbienen, die oft nur maximal 300 Meter weit fliegen, können wieder neue Lebensräume finden.
Beitrag zu Klimaschutz und Klimawandelanpassung
Blumenwiesen tragen übrigens wesentlich zum Klimaschutz bei, weil ihre Böden wesentlich gesünder sind als geschorene Rasen und dadurch viel mehr Kohlenstoff im Boden binden. Die direkte Besonnung des Bodens bei oft gemähten Rasenflächen trägt hingegen zur Freisetzung von CO2 aus dem Boden frei. Gleichzeitig kühlen hoch stehende Grünflächen durch die Verdunstungskälte, die die Pflanzen erzeugen, wesentlich besser als ein kurzer Rasen. Gerade in Klimawandelzeiten eine wichtige Eigenschaft, um die Hitze im Siedlungsgebiet erträglicher zu machen. Tipp: Einfach einmal ein Thermometer nehmen und die Temperatur am Boden vergleichen!