Die Kinder und Jugendlichen kannten die Perchtoldsdorfer Heide bisher vor allem von Wanderungen und den zahlreichen Jungscharstunden/Heimabend-Aktionen, die immer wieder im Freien durchgeführt werden.
Da es sich bei der Heide jedoch nicht nur um einen Erholungsraum, sondern um ein international bedeutendes, sehr schutzwürdiges Naturgebiet handelt, wurden die Stimmen innerhalb der Gruppen immer lauter, auch einmal ein größeres Projekt zum Schutz dieses Gebietes durchzuführen. In den Kindern und Jugendlichen sollte das Interesse für eine intensive Beschäftigung mit der Natur und ihren Lebewesen geweckt werden. Sie sollten die wertvolle Natur vor ihrer Haustür besser kennen, verstehen und schätzen lernen. Stellvertretend für die gesamte seltene Fauna und Flora sollten sie sich mit einem Tier – der Smaragdeidechse – näher vertraut machen. Bei der Freilandarbeit konnten sie sich selbst für den Schutz des Tieres einsetzen und lernten auch, dass man mit vereinten Kräften und persönlichem Engagement viel bewirken kann.
Die Smaragdeidechse (Lacerta viridis) ist die größte Eidechse in Österreich und wird bis zu vierzig Zentimeter lang. Ihr Körper ist grün gefärbt. Die Kehle der erwachsenen Männchen leuchtet in prachtvollem Blau.
An ihren Lebensraum stellen die Smaragdeidechsen hohe Ansprüche. Sie sind sehr störungsempfindlich und benötigen warme und trockene, offene, aber mit Steinen und Altholzhaufen reichhaltig strukturierte Hänge mit kleinen Buschgruppen als Versteck. Sowohl Trockenrasen als auch vielfältige, nicht zu intensiv betriebene Weingärten gehören zu ihrem bevorzugten Lebensraum. Die bis zu 20 Eier werden im trockenen, sandigen Boden vergraben oder in kleinen Höhlen abgelegt. Die Smaragdeidechse ernährt sich vor allem von größeren Insekten, frisst aber manchmal auch die Jungtiere anderer Eidechsenarten.
Vor allem auf Grund des Lebensraumverlustes ist das prachtvolle Tier in Österreich stark gefährdet. Trockenrasen wie die Heide gehören zu den am meisten bedrohten Lebensräumen! Aber auch der Einsatz von Spritzmitteln im Weinbau vor allem in den vergangenen Jahrzehnten hat ihren Lebensraum durch den Verlust an Futterinsekten stark eingeschränkt. Auf der Heide ist die Smaragdeidechse noch zu finden. Es braucht jedoch dringend unterstützende Maßnahmen, um das Vorkommen auch für die Zukunft zu sichern. Vor allem die vielen freilaufenden Hunde bereiten der Eidechse Stress. Das Verbuschen vieler Heideflächen lässt ihren Lebensraum schrumpfen.
Besonders für die Smaragdeidechse geeignet ist ein Südhang im Bereich der Kleinen Heide, da er ruhig und sonnig gelegen ist. Dieser wertvolle Trockenrasenbereich war vor einigen Jahrzehnten noch vollkommen baum- und buschfrei. Vor Beginn des Projektes war die Fläche jedoch bereits stark mit Föhren und Gebüsch verwachsen. Im wissenschaftlichen Pflegekonzept für die Heide ist das Entfernen vieler Sträucher aber auch einiger Bäume mit hoher Dringlichkeit angeführt, um das Gebiet erhalten zu können. Um diesen Bereich nahmen sich die Gruppen in ihrem Projekt an.
Kennenlernen der Smaragdeidechse im Terrarium
Da es sehr unwahrscheinlich ist, direkt auf der Heide in einer so großen Gruppe auf die scheuen Tiere treffen, wurde eine Smaragdeidechsenpräsentation in Pfadfinder- und Jungscharheim für jede teilnehmende Gruppe organisiert. MMag. Irene Drozdowski und Ing. Josef Wurth zeigten den Kindern und Jugendlichen eine nachgezüchtete Smaragdeidechse im Terrarium und erzählten Wissenswertes über Leben und Schutz. So konnten alle ihrem Schützling Aug in Aug gegenüberstehen.
Um den Kindern und Jugendlichen die weit verbreitete Scheu vor Reptilien zu nehmen, brachten die Biologen auch eine kleine Ringelnatter mit, die die Kinder und Jugendlichen auch vorsichtig angreifen durften. Für alle eine meist neue, tolle Erfahrung, die sicherlich viel Positives für die Tiere bewirken kann.
Smaragdeidechsenzauber für die kleinen Wichtel
Für die kleinsten Teilnehmer, die Pfadfinder-Wichtel im Alter zwischen 6 und 10 Jahren, wurden das Leben und die Bedürfnisse der Smaragdeidechse spielerisch vermittelt. MMag. Irene Drozdowski, Stefan Eisenbach und Gernot Waiss organisierten gemeinsam mit den Wichtelführerinnen ein detailreiches Rollenspiel. Zuerst wurde den Kindern einiges zur Smaragdeidechse erzählt, dann durften sie sich aus Naturpapier Smaragdeidechsenmasken basteln.
In einer feierlichen Zeremonie wurden die Wichtel dann in Smaragdeidechsen verwandelt und durchlebten in den darauf folgenden Stunden das Leben der Tiere:
Mit dem Ruf des Kuckucks erwachten sie aus ihrem Winterschlaf und wärmten sich in der aufgehenden Sonne. Über den Geruch (verwendet wurde hier Rosenöl) mussten die Männchen mit verbundenen Augen ihre Weibchen finden.
Ihre Eier (verwendet wurden rohe Hühnereier) sollten sie dann vorsichtig in den richtigen Boden vergraben (Sand, Erde, Steine in Blumentöpfen). Ein umher streunender Hund störte bei der Eiablage.
Bei Sonnenuntergang wurden passende Verstecke gesucht, in der Nacht streunte schnüffelnd ein Marder vorbei. Am nächsten Tag wärmten sich die Eidechsen wieder in der Sonne auf und lernten in einem Fangenspiel die Bedrohung durch Räuber kennen. Rechtzeitiges Abwerfen des Schwanzes (Kreppband) rettete sie vor dem Gefangenwerden.
Im Altweibersommer, als die Spinnenfäden umherflogen (Luftschlangen), suchten die Eidechsen wieder ihre Winterverstecke auf. Mit Glockengeläute wurden die Kinder wieder zu Menschen verwandelt. In einer gemütlichen Runde wurde dann das Erlebte aufgearbeitet. Die Kinder schilderten ihre Eindrücke, wichtige Details wurden noch einmal wiederholt. Anschließend ging die Gruppe auf die Heide und begann mit dem Entfernen von vielen kleinen Eichen, die in dem Projektgebiet sehr stark aufkommen.
Kennenlernen der Besonderheiten der Heide für alle ab 10 Jahren
Um vor den Pflegemaßnahmen den Lebensraum und möglichst viele Tiere und Pflanzen kennen zu lernen, veranstaltete MMag. Irene Drozdowski für die Gruppen Guides/Späher (10 bis 13 Jahre), Caravelles/ Explorer (13 bis 16 Jahre), Ranger/Rover (16 bis 20 Jahre) eine Heideführung. In zwei Stunden lernten die Kinder und Jugendlichen viel über Entstehung, Gefährdung, Schutz, Lebensbedingungen in einem Trockenrasen, Anpassungen der Pflanzen, seltene Orchideen (Hummelragwurz), Bestäubungstricks der Pflanzen, Heuschrecken und Grillen, Ziesel und vieles mehr.
Die Gruppen hatten außerdem das große, unglaubliche Glück, beide auf der Heide vorkommende Schlangenarten – die Schlingnatter und die Äskulapnatter – in natura anzutreffen. Die Kinder und Jugendlichen waren begeistert.
Umfangreiche Pflegemaßnahmen auf der Kleinen Heide für alle ab 10 Jahren
Die Pflegefläche liegt auf der Kleinen Heide und ist circa 1ha groß. Es handelt sich um einen Südhang mit wertvollem Trockenrasen, der zum Teil stark mit kniehohen Eichen, zum Teil mit Föhren und Gebüsch (unter anderen Liguster) verwachsen war und daher schon stark beschattet wurde.
Von den Kindern und Jugendlichen wurden in Kleingruppen (um die Tiere nicht zu stören) mit Unterstützung der Erwachsenen zahlreiche Eichen und andere Büsche entfernt, jedoch so, dass immer kleine Gebüschgruppen als Versteck für Smaragdeidechse und andere Tiere stehen blieben.
Die Erwachsenen fällten in mühevoller Arbeit einige Föhren, andere wurden aufgeastet. So können die zahlreichen Felsen von den Reptilien wieder zum Sonnen benutzt werden.
Die entasteten Baumstämme wurden am südlichen Ende des Gebietes einige Meter neben der Forststraße
als schützende Barriere gegen Fußgänger und Hunde aufgelegt.
Eine weitere Kindergruppe schnitt auf einer anderen Pflegefläche kleine, aber sehr dicht stehende Schlehenbüsche aus. (So konnten sie gleich bei der Pflege einer weiteren Fläche helfen.) Die dornigen Sträucher benötigten wir gemeinsam mit den Eichenzweigen, um rund um das Schutzgebiet kniehohe Dornenhecken aufzuschlichten.
Die so entstandenen insgesamt 260m langen Hecken schützen den Bereich vor nicht angeleinten, herumstöbernden Hunden und geben den stressempfindlichen Eidechsen Ruhe. Zuerst wurden Stöcke als Halt eingeschlagen, dann die Äste dazwischen stark verflochten. So halten die Hecken länger und können nicht vom Wind verfrachtet werden.
Die Maßnahmen kommen natürlich nicht nur dem Patentier zu Gute. Auch viele andere seltene Tiere und die wertvolle Trockenrasenvegetation profitieren davon. Sogar eine Äskulapnatter konnte während der Arbeit beobachtet werden. Auch im nächsten Jahr wollen sich die Gruppen wieder um die Fläche kümmern.
Im September wurde das Engagement der Gruppen schließlich mit dem Hans-Czettl-Preis des Vereins
für Natur- und Umweltschutz in NÖ belohnt. Die Kinder durften im Landessitzungssaal in St.Pölten
feierlich ihre Urkunde und das Preisgeld entgegen nehmen. Bei einem gemeinsamen Grillabend im
Pfadfinderheim feierten die PfadfinderInnen und Jungschargruppen gemeinsam ihren Erfolg.
Die Betreuer des Projektes MMag. Irene Drozdowski – sie unterstützte die Einreichung beim Hans-Czettl-Preis,
Stefan Eisenbach, Gernot Waiss und Ing. Josef Wurth sind sehr stolz auf das
Engagement der Kinder und Jugendlichen! Sie freuen sich, auch im nächsten Jahr wieder
Pflegemaßnahmen mit den Gruppen durchführen zu können.